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„Am Ende brechen die Erbanlagen durch“. Ein Gespräch mit Isa Oblomov

Posted by Dieter Paul Rudolph - 1. März 2013

roboZunächst war ich skeptisch, als mir das Manuskript von Isa Oblomovs „Robozid: Das große Verschrotten“ auf den elektronischen Schreibtisch flatterte. Dies sei, sagte mir das „Schundbüro“, ein toller SF-Krimi in der Tradition von Isaac Asimov. Nun, ich schätze Isaac Asimov… Aber wollte ich wirklich etwas lesen, das in dieser Tradition steht? Meine Bedenken wurden rasch zerstreut. „Robozid“ ist ein eigenständiger, überraschend komischer und dabei auch überraschend ernsthafter Science-Fiction-Krimi, kurz und knapp, wie es die [Schundheft!] – Reihe fordert, doch in sich vollständig und gerundet. Wer aber ist Isa Oblomov? Im Gegensatz zu anderen Schundheft-Autoren ist sie keine „gelernte Schriftstellerin“, sondern Astrophysikerin. 1978 als Tochter deutschstämmiger Eltern in Almaty / Kasachstan geboren, studierte sie in Irkutsk und später in Bochum, promovierte 2005 über Uranvorkommen auf den Jupitermonden und lebt jetzt im Ruhrgebiet, wo sie als Universitätsdozentin tätig ist und daneben viele Vorträge für Hobbyastrologen hält. Das folgende kleine Interview wurde, im Gegensatz zu anderen in diesem Blog, nicht per Email, sondern von Angesicht zu Angesicht geführt, anlässlich eines Vortrags von Isa Oblomov in der saarländischen Sternwarte Petersberg bei Braunshausen.

„Robozid: Das große Verschrotten“ wird voraussichtlich ab morgen, 2.3.2013, als Print- sowie E-Book-Version erhältlich sein. Die entsprechenden Links folgen dann umgehend.

Dpr: Isa Oblomov, als ich die ersten Kapitel deines Romans „Robozid: Das große Verschrotten“ gelesen habe, dachte ich: Okay, eine SF-Satire, vielleicht eine Parodie, jedenfalls ziemlich lustig. Aber dann ist das allmählich umgekippt und am Ende würde ich deinen Roman als eine bitterböse Dystopie mit beträchtlichem Ironieanteil bezeichnen. Könntest du mit dieser Interpretation leben?

IO: Ich muss wohl (lacht). Nein, im Ernst: Ich glaube nicht, dass man Pessimismus ohne Humor überhaupt ertragen kann. In der russischen Science Fiction, die ich von Jugend auf kenne, gehört das übrigens zusammen. Die Werke eines Ivan Efremov etwa sind, bei aller futuristischen Bemühtheit, immer auch ironisch. Oder sagen wir: augenzwinkernd. Die Leser sind zunächst natürlich amüsiert, wenn sie lesen, dass Kommissar X-Chromosom mit einem „elektronischen Lustobjekt“ schläft, das eine mobile Vagina hat… oder dass Frauen nur noch in zoologischen Gärten gehalten werden. Aber man gewöhnt sich daran und dann ist es eben nicht mehr komisch.

Dpr: „Robozid“ ist aber auch eine ziemlich deutliche Referenz an einen der ganz Großen des Genres, den russischstämmigen Amerikaner Isaac Asimov und seine „Stahlhöhlen“. Nicht zufällig spielen in deinem Roman die „Isaac-Werke“ eine wichtige Rolle. Und auch der Konflikt Mensch – Roboter ist eine Referenz an Asimov.

IO: Genau. Mir hat die Verbindung von Science Fiction und Detektivgeschichte immer gut gefallen. Ich wollte bestimmte Themen damit transportieren, das Ganze im Grunde auch überspitzen. Ich hoffe, das ist mir gelungen.

Dpr: Oh ja. Während Asimov Sexualität ja ganz amerikanisch-verschämt abhandelt, ist sie bei dir unter diversen Aspekten wichtig. Schon der Einstieg – der Protagonist entleert sich in ein ELO, ein „elektronisches Lustobjekt“, nachdem er ein Gedicht auf die „eherne Geliebte“ rezitiert hat, zeigt, wohin du willst. Und als man dann auch noch erfährt, dass Frauen quasi ausgerottet wurden und Menschen im Labor mit „künstlichen“ Eizellen befruchtet werden, steht auch das Hauptthema deines Romans. Die – nun ja – Frauenfrage.

IO: Ja, genau. Ich wollte keinen technoiden Roman schreiben. Die Welt, die ich aufbaue, ist ja in vielem der unsrigen vergleichbar. Es wird explizit erwähnt, dass „der große Rat“, also die Weltregierung, viele der technischen Entwicklungen zurückgefahren hat. Man ist zum Beispiel nicht mehr unsterblich dank überragender Medizintechnik, man muss konventionelle Transportmittel benutzen und wird nicht mehr „gebeamt“.

Dpr: … und man ist, wenn ich das so sagen darf, auf künstliche Emotionen angewiesen, man giert geradezu danach. Ob Freude oder Trauer, Hauptsache emotional. Im Grunde eine Smiley-Welt, ein soziales Netzwerk, um sich ein wenig zu „errgen“. Es gibt natürlich spezielle Roboter dafür, ebenso Roboter, die einem die Welt neu erklären, wenn man sie nicht mehr versteht. Das ist ein durchgängiges Motiv in deinem Roman.

IO: Ja, der Moment, in dem du aus deiner vertrauten Weltanschauung gerissen wirst, alle Gewissheiten ungewiss werden. Ich denke, das lässt sich mit dem Genre Science-Fiction ganz gut transportieren. Dadurch, dass es als selbstverständlich dargestellt wird, irritiert es zunächst. Als Autorin muss ich aber keine umständlichen Erklärungen abgeben. Es ist im Jahr 2480 einfach so.

Dpr: Einige Leserinnen könnten „Robozid“ für „frauenfeindlich“ halten. Denn politisch korrekt ist die Sache mit den Frauen ja nicht.

IO: Sehe ich anders. Wenn X-Chromosom etwa „Menschen“ von „Frauen“ unterscheidet, dann befindet er sich im Einklang mit einem Gutteil heutiger Männer, die Frauen zu Tode vergewaltigen, als „Gebärmütter“ missbrauchen, in Sklavenarbeit stecken oder andere schreckliche Dinge mit ihnen tun. Im Jahr 2480 ist man wenigstens ehrlich. Man braucht keine Frauen mehr, also hat man sie abgeschafft wie überflüssige Möbelstücke. So gesehen, ist „Robozid“ ein feministischer Kriminalroman, obwohl ich diese Festlegungen eigentlich nicht mag.

Dpr: Gut, kommen wir zu „Robozid“ als Krimi. Es ist, auf den ersten Blick, ein Polizeiroman mit Whodunit-Anteil. Es gibt einen ziemlich blutigen Showdown, aber gleichzeitig ist „Robozid“ auch ein psychologischer Kriminalroman mit einem überraschenden Ende. Der Fall wird zwar „gelöst“, die Zukunft der Protagonisten bleibt jedoch offen. Das schreit geradezu nach Fortsetzung…

IO (lacht): Oh, das kann euch blühen! Wenn das Publikum „Robozid“ nicht zu sehr ignoriert und die Kritik es nicht verreißt… warten wir ab.

Dpr: Arbeitest du schon daran?

IO: Nein, ich bin im Moment mit meinem Brotberuf vollauf beschäftigt. Aber eine Idee hätte ich schon…

Dpr: Du bist Astrophysikerin. Wie siehst du eigentlich die Zukunft der Menschheit? Wird sie Kolonien in fremden Galaxien gründen? Oder von einem Meteoriten getroffen werden und untergehen?

IO: Letzteres ist immer möglich. Aber nein, ich bin da sehr entspannt. Das mit den Kolonien, darüber können wir in 500 Jahren noch einmal reden. Ansonsten glaube ich, dass sich die Menschen selbst, bei allem technischen Fortschritt, gar nicht so sehr geändert haben und auch nicht ändern werden. Auch davon erzählt „Robozid“. Man kann Menschen manipulieren und in gewisser Weise sogar „entmenschen“. Am Ende jedoch brechen die Erbanlagen durch. Und das ist gut so, obwohl das, was da zum Vorschein kommt, alles andere als perfekt ist.

Dpr: Danke für dieses Gespräch, Isa.

2 Antworten to “„Am Ende brechen die Erbanlagen durch“. Ein Gespräch mit Isa Oblomov”

  1. […] https://krimikulturarchiv.wordpress.com/2013/03/01/am-ende-brechen-die-erbanlagen-durch-ein-gesprach-… […]

  2. peterjkraus said

    Super. Macht Appetit.

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